Rückblick

Oder: Vorerst nicht gescheitert

„Ich kann mir auf der ganzen Welt kein korrupteres Land vorstellen als Kamerun.“ Mit dieser Formulierung hat mich im Rahmen meines Vorbereitungsprogramms in Deutschland der kamerunische Referent für den Themenblock „Landeskunde Kamerun“ auf meinen Einsatz eingestimmt. Enttäuschungen seiner Kursteilnehmer hat er zugleich mit der interpretierbaren, aber jedenfalls tröstlichen Aussage vorgebeugt, dass wir Entwicklungshelfer allein durch unsere Anwesenheit vor Ort dazu beitragen würden, dass sich die Situation nicht verschlechtert. Inzwischen habe ich nicht nur meine zweijährige Vertragslaufzeit durchgehalten, sondern meine heilsame Anwesenheit sogar um ein paar Monate verlängert – mission accomplie?

Leider verfüge ich nur über begrenzte Möglichkeiten, durch meine persönliche Ausstrahlung die Amtsführung der Person zu beeinflussen, die seit 33 Jahren für dieses Land verantwortlich ist. (Präsident Paul Biya ist tatsächlich im gleichen Jahr wie Helmut Kohl Staatschef geworden; male dir nur mal in allen Farben aus, wie es in Deutschland zugehen würde, wenn letzterer noch immer Bundeskanzler und Regierungsparteichef wäre – oder was er noch alles hätte anstellen müssen, um dies zu erreichen.) Ich wohne und arbeite zwar in der Hauptstadt und sogar in der Nachbarschaft des Präsidentenpalastes, aber wenn Son Excellence (tatsächliche Anrede) auf dem Weg zu seinem Hauptwohnsitz, dem Hotel Intercontinental in Genf, unseren Stadtteil Bastos durchquert, werde ich wie alle anderen Normalsterblichen in die Seitenstraßen gejagt. Wenn dann der Konvoi vorbeifährt, entsichern die Streckenposten ihre Maschinengewehre und alles, was seine Exzellenz durch getönte Scheiben sieht, sind Gruppen akkreditierter Claqueure, die ihn singend und tanzend lobpreisen.

Aber was soll´s; schließlich habe ich auch als Kommunalvertreter in Deutschland nicht bei Angela Merkel auf dem Schoß gesessen. Und ich glaube in zwei Jahren Mitarbeit an der Dezentralisierung in Kamerun meinen kleinen Teil dazu beigetragen zu haben, dass die kommunale Selbstverwaltung ihr Potenzial hier etwas besser entfaltet. Inwieweit habe ich damit nun nachhaltige Impulse gesetzt und inwieweit entsprechende Initiativen lokaler Akteure verdrängt? Bezüglich dieser entwicklungspolitischen Grundsatzfrage habe ich zumindest bei einem Arbeitsschwerpunkt ein gutes Gefühl, da er definitionsgemäß die Beteiligung internationaler Partner voraussetzt, nämlich die dezentralisierte Kooperation, genauer: meine Unterstützung des kamerunischen Kommunalverbands CVUC bei der Anbahnung deutsch-kamerunischer Kommunalpartnerschaften.

Vereinzelt geäußerte grundsätzliche Vorbehalte gegenüber der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit (Gefahr der Alimentation statt Förderung von Eigeninitiative, s.o.) sind meines Erachtens gegenüber der staatlichen Entwicklungspolitik mindestens ebenso berechtigt. Die Gefahr, einem autokratischen Staatschef zuzuarbeiten, der eventuelle Erfolge für sich in Anspruch nimmt, dürfte auf kommunaler Ebene sogar geringer sein. Klare Vorteile sehe ich jedenfalls in der großen Nähe der Kommunen zur eigentlichen Zielgruppe, dem Volk, und in der Vermeidung eines bürokratischen Überbaus.

Insofern sind zwei Publikationen zwar nur Mittel zum Zweck, aber doch greifbare bzw. im Falle der elektronischen Versionen sichtbare Resultate meiner Arbeit. Für Radio Kamerun-Leser biete ich sie hiermit im exklusiven und kostenlosen Doppelpack an. Die erste ist eine Broschüre für die (zahlreichen) Interessenten auf kamerunischer Seite, denen die Perspektive der potenziellen Partner in Europa und Deutschland näher gebracht werden soll. Ein Klick auf die unten abgebildete Titelseite der englischen Fassung führt zum centre de ressources von CVUC, wo man diese und die von Jana übersetzte französische Fassung herunterladen kann:Titelseite 42 questions

Der zweite, komplementäre Text richtet sich an die (weniger zahlreichen) potenziellen Akteure in Deutschland – vielleicht bist Du ja auch einer oder kennst einen. Der Artikel ist unter anderem in der Verbandszeitschrift des Deutschen Städte- und Gemeindebundes erschienen – garniert mit einem Bild aus meiner Jugend:

Titelseite StuG-Artikel

Hier geht´s zum Download des Artikels mit den Titel „Kamerun als Zielland für Kommunalpartnerschaften„.

Eine etwas persönlichere Bilanz habe ich an dieser Stelle schon vor rund zwei Jahren  gewagt und kann diese auch heute noch unterschreiben. Hinzugekommen sind seither eine Fülle weiterer wertvoller Erfahrungen und bleibender Erinnerungen für die ganze Familie sowie für mich die Aussicht auf einen neuen Lebensabschnitt als Naturschützer in der alten Heimat, wo wir uns hoffentlich bald wiedersehen.

Bis dann!

Simon

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